Donnerstag, 15. Juni 2017

Feuer im Grenfell Tower


Der Wohnturm mit 20 Stockwerken und insgesamt 120 Wohnungen steht in einem der vornehmsten Viertel von London, nordwestlich des Hyde Parks. Eigentümer ist die Kommune Kensington and Chelsea, Mieter sind offenbar überwiegend sozial schwächere Menschen dieses Stadtteils. Es ist "Sozialer Wohnungsbau" würde man bei uns sagen.

Der Turm wurde erst vor einem Jahr mit großem Aufwand saniert und erhielt eine Aluminiumverkleidung im Auftragswert von £ 8.600.000,-. Offenbar wurde mit dem gleichen Auftrag auch eine Lüftungsanlage für rauchfreie Fluchtwege eingebaut. Hieran war die deutsche Firma Witt und Sohn beteiligt. Die Fassadenplatten der Firma Harley Curtain dienten der Wärmedämmung und hatten deshalb eine Rückseite aus einer Art von Styropor. Dieses Material ist brennbar und darf in Deutschland nur in Gebäuden bis 22 m Höhe (etwa sieben Stockwerke) verwendet werden.

In London hat dieses "Styropor" in der Nacht zum 14. Juni vermutlich in einem der unteren Geschosse Feuer gefangen und ist dann großflächig auf der gesamten Fassade abgebrannt, wobei die Flammen auch immer in die angrenzenden Wohnungen übergeschlagen sind.

Ob die Fluchtwege durch den entstehenden Rauch unbenutzbar geworden sind, oder ob sich die Bewohner zu lange an die offenbar im Hause geltende Regel "Stay put!" (in der Wohnung bleiben) gehalten haben, ist noch nicht klar. Die Firma Witt und Sohn hat offenbar bisher mit der Baumaßnahme in London Werbung betrieben, hat dies jedoch mittlerweile durch eine allgemeine Beileidsbekundung ersetzt.

Die Verwaltungsgesellschaft ist eine Non-Profit-Organisation unter dem Namen KCTMO, was für Kensington and Chelsea Tenant Management Organisation steht.

Die Feuersicherheit des Hauses war schon mehrere Jahre lang Gegenstand heftiger Kontroversen. Es gab einen Blog, in dem sich die Mieter mit verschiedenen Sicherheitsproblemen auseinandergesetzt haben. Soviel ich sehe, ist dabei das Problem der brennbaren Fassade aber nicht angesprochen worden. Es ging mehr um zugeparkte Rettungswege außerhalb des Hauses, das Fehlen eines zweiten Rettungsweges im Haus und um andere Dinge.

Ob die Rettungswege in dem aufgetretenen Brandfall tatsächlich ein Problem waren, ist mir noch nicht klar. Wenn man die Bilder von dem abgebrannten Haus sieht, vermutet man, dass die Feuerwehr auch dann nicht hätte helfen können, wenn sie mit allen zur Verfügung stehenden Leiterwagen an das Haus heran gekommen wäre. Feuerwehrleitern in Deutschland und sicherlich in anderen Teilen der Welt auch können in der Regel nur bis zu maximal 30 m Höhe (etwa zehn Geschosse) heranreichen, und das natürlich auch nur dann, wenn nicht die ganze Fassade in Brand steht.

Wenn es im Haus allerdings generell nur einen einzigen Fluchtweg gegeben hat, dann gehörte die gesamte kommunale Verwaltung vor Gericht gestellt.

Im Guardian ist ein Systemschnitt der Fassade veröffentlicht, in dem aufgezeigt wird, dass die Styroporplatten  jeweils durch nicht brennbare Zwischenstücke voneinander getrennt waren. Ob diese Zwischenstücke tatsächlich eingebaut worden sind und wie viel Nutzen sie gebracht haben, ist ebenfalls noch eine offene Frage.

Der Einsatz von Hubschraubern mit Feuerwehrleuten, die sich in das Gebäude abseilen, wurde von der Presse als nicht möglich dargestellt. Der Rauch sei zu dicht gewesen. Auch Sprungtücher oder Luftkissen, in die hinein Menschen aus großer Höhe springen können, erscheinen bei einem 20-geschossigen Haus keine echte Rettungsmöglichkeit dazu stellen. Aus 40 m oder 50 m Höhe wirkt selbst ein großes Luftkissen wie ein winziger Fleck, den man leicht verfehlen kann, wenn man gezwungen ist zu springen.

Ich vermute, dass noch viele Kommentare in Fachzeitschriften erscheinen werden. Ich werde die Diskussion sehr aufmerksam verfolgen und sicherlich in der einen oder anderen Eigentümerversammlung von größeren Häusern über das Thema sprechen.

Über das unsägliche Leid der im Haus eingeschlossen in Menschen kann ich nichts sagen. Hier fehlen die Worte.



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