Sonntag, 16. November 2014

Briefwechsel mit einem atheistischen Freund (XII)


Lieber Vetter, dessen Name Programm ist…
Du wiederholst die Frage nach dem 'Mut zum Sein' und suchst für die Antwort nach einer äußeren Quelle. Warum? Warum fehlt Dir das Selbstvertrauen zu Dir, zu Deinen Mitmenschen diesen 'Mut zum Sein' in Dir zu finden? Warum muss eine äußere, übergeordnete, sinnstiftende Figur (ein 'Etwas') ins Spiel gebracht werden? Warum muss diese Figur die Sinnstiftung übernehmen, zu vielen anderen (schwierigen) Aufgaben, die ihr (von Dir) antragen werden?

Meine Antwort, dass die menschliche Vorliebe für diese 'Art des Denkens' der Evolution unserer Denkstrukturen geschuldet ist, muss Dich unbefriedigt lassen. Wir Menschen handeln Sinn/Zweck- getrieben. Wir projektieren diese Denkvorliebe auf unsere Umwelt... „es muss doch Sinn machen“; alleine die Abläufe zu verstehen, zu genießen, zu bestaunen lässt viele Menschen unzufrieden.

Natürlich projektieren wir diesen Sinngebungsversuch auch auf eigene Existenz[*]. Ein Sinn-schaffender Gott kommt da ganz handlich! Andere intelligente Lebensformen mögen Vorlieben für eine andere 'Art des Denkens' haben der Evolution ihrer Art geschuldet. Dies sollte auch für die Entwicklung technischer Intelligenz gelten, die wir möglicherweise erleben werden [**].

Soweit wir die Entwicklung der menschlichen Denkstrukturen verstehen, diente die Schöpfung einer externen Sinn/Zweck-stiftenden Figur dem Gruppenzusammenhalt; in den wir deswegen auch viel investieren einschließlich des Jahrhundert-dauernden Kathedralenbaus.


Ich hatte das Gedicht Goethes „Prometheus“ zitiert, weil es mein Empfinden widerspiegelt, und nicht um den Alten Herrn als Bezugsgröße anzuführen. Das Gedicht beschreibt, dass der Mensch – zugegeben Prometheus war ein Halbgott in der Griechischen Mythologie – sich durch Handel, Schaffen im Glück und im Scheitern definiert. Das Gedicht drückt aus: “Mensch Sein” ist “Mut zum Sein “. Es bedarf dazu nichts weiter mehr. Es fehlt (mir) nichts.

Dein „Problem“, zugegeben ein „Feature“ aller religiösen Weltsicht ist, dass zum “Mensch Sein” ein Gegenpol erdacht wird; eine Vorstellung der Gedankenwelt für die es keine reale Entsprechung gibt. Wieder stoßen wir auf eine Eigenart unseres menschlichen Denkens, nämlich das unsere Gedankenwelt vielfältiger als die erfahrene Welt ist. Was ja auch ganz praktisch ist! Wir denken uns was aus, was wir dann bauen oder in Handlung umsetzen. Mittels dieser (natürlichen) Kreativität haben wir uns, unsere (technische,...) Umwelt, und unsere Gedankenwelten erschaffen; einschließlich unserer Vorstellungen der übernatürlichen Erweiterungen der Welt[1].
In unseren Gedankenwelten gibt es Vorstellungen, die sind wie Schatten des Platonische Höhlengleichnis sind zu dem es keine Schattenwerfer gibt (um über das Platonische Höhlengleichnis hinauszugehen). Gottesvorstellungen, Götter gehören zu diesen 'Schatten ohne Schattenwerfern'. Außerhalb unserer Gedanken bleibt die Suche nach diesen ‘Schattenwerfern’ ergebnislos. Jedoch sind diese gegenstandslosen Gedankenwelten fruchtbar, wenn wir sie mit anderen Menschen teilen. Sie können Antriebe für Alltägliches, Hilfreiches, Fruchtbares und Furchtbares sein. Es ist ein interessantes Thema, wie diese Art zu Denken als Teil unserer Körper entstanden ist. Welche Vorteile und Nachteile dies hatte, und wie sich Gewichtung von Vorteilen und Nachteilen im Laufe der Menschheitsgeschichte verschoben hat? Um bildhaft zu sprechen 'ab wann wandelt(et) sich Religion vom Kokablatt gekaut zur Meisterung der Bergeshöhe zum Opium für die Beherrschung des Volkes'?

Eine schöpferische Woche Dir und Deinen!

[*] mehr dazu: http://ukkoelhob.blogspot.de/2013/05/letter-to-my-cousin-evolution-mind-and.html
[**] mehr dazu: http://ukkoelhob.blogspot.de/2013/10/evolution-2-noosphere.html
[1] „Supernatural Agents – why we believe in Souls, Gods, and Buddhas“, Ilkka Pyysiänen, Oxford University Press, 2009.

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