Sonntag, 14. November 2010

Eine Predigt zu Römer 8




Die nachfolgende Predigt habe ich am heutigen Sonntag in der Gemeinde Bonn (EFG, Baptisten) gehalten und möchte hier für alle, die mehr über die Quellen meiner Auslegung erfahren wollen, einige Hinweise weitergeben.

Ein Freund hat mich vor etwa drei Jahren auf die Reihe "Paulus neu gelesen" des Frankfurter Theologen Norbert Baumert aufmerksam gemacht. Baumert hat seit etwa 1990 mit seinen Doktoranden, dem "Frankfurter Pauluskreis", alle 13 dem Paulus zugeschriebenen Briefe in einer sehr intensiven Feinarbeit durchgelesen, hat sie Wort für Wort und Buchstabe für Buchstabe neu ins Deutsche übertragen und im Ergebnis zunächst von allen Briefen eine neue Arbeitsübersetzung hergestellt.

Seit 2006 ist Baumert dann hergegangen und hat zunächst den 1. Korintherbrief vollständig kommentiert (in dem Buch "Sorgen des Seelsorgers"), dann den 2. Korintherbrief ("Mit dem Rücken zur Wand") und als drittes dann Galater und Philipper ("Der Weg des Trauens"). Der Kommentar zum Römerbrief soll 2011 folgen - so Gott will, muß man sagen, denn der Verfasser wird im Jahr darauf 80 Jahre alt.

Das Konzept Baumert ist es, die Briefe aus ihrer jeweiligen Situation zu verstehen. Dabei hat sich sein Pauluskreis oft als sehr kreativ erwiesen, was das Verständnis für die fast 2000 Jahre zurückliegenden Geschehnisse in der alten Welt betraf. Liest man Paulus als den sorgenden Seelsorger, der bereit ist, jedem einzelnen Mitglied seiner damals noch eher kleinen Gemeinden nachzugehen, dann entsteht das Bild eines von Herzen liebenden Hirten und nicht das eines großen Kirchenlehrers, der mit donnernder Stimme letztgültige Anordnungen zur Gestaltung des Gottesdienstes, der Rolle der Frauen etc. trifft.

Zwar bleibt der Charakter der Letztgültigkeit, aber sie wird anders, feiner gesehen und jederzeit von des Apostels menschliche Wärme und Hingabe an seine jungen Christen getragen.

Hier nun mein Versuch, den Abschnitt Römer 8,Verse 18 bis 23 ein wenig in das Licht Baumerts zu bringen, ohne seine Römerauslegung zu kennen. Übrigens ist Baumert katholisch und gehört der charismatischen Bewegung an.



1. Einleitung

Ein Bibelabschnitt aus dem Brief des Paulus an die Römer soll heute im Zentrum unseres Gottesdienstes stehen. Er wird heute gleichzeitig in vielen anderen Kirchen unseres Landes gelesen und bedacht. Er ist ein Teil des Predigtplans mit der Perikope des jeweiligen Sonntags, an den sich viele Gemeinden halten, und es ist besonders für Laienprediger wie mich eine gute Sitte, sich ebenfalls an diesen Plan zu halten. Man muß sich mit neuen Dingen beschäftigen, nicht nur mit seinen Lieblingsthemen.

So habe ich, als ich vor einigen Monaten für diesen heutigen Sonntag bestimmt wurde, die Perikope nachgesehen und den Abschnitt aus Römer 8 gefunden und nachgelesen. Ich habe das mit ein wenig Herzklopfen getan, denn ich habe vor dem Römerbrief einen großen Respekt. Der Römerbrief hat ja an den Knotenpunkten der christlichen Geschichte immer wieder eine entscheidende Rolle gespielt, bei der Reformation Martin Luthers, bei der englischen Erweckungsgeschichte um den Methodisten John Wesley, beim Neuanfang der deutschen Kirchen nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und Karl Barth, dem späteren Bonner Professor. Immer wenn man die Notwendigkeit einer Veränderung der Kirche spürt, forscht man gerne in diesem Brief und sucht darin Rat. So ist er im Laufe der Zeit ein besonders herausragender Brief für die Christen geworden.

Auch ganz persönlich kann man im Römerbrief nach Rat und nach Erneuerung suchen. Viele von Ihnen werden es getan. Sie werden dabei entdeckt haben, daß man sich in diesem Brief wie in einem Gebirge großer Gedanken wiederfindet. Man kann sich leicht darin verirren, so ist es mir jedenfalls oft ergangen.

Trotzdem will ich mich also gemeinsam mit ihnen in dieses Gebirge wagen! Ich habe mich bemüht, einen einfachen Weg zu finden und möchte ihn in drei Abschnitte aufteilen. Der erste beginnt mit einem Blick auf eines der schönsten und lebendigsten Bilder der ganzen Bibel, das Bild von der sehnsüchtig harrenden Schöpfung.

18 Denn ich denke, daß die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.
19 Denn das sehnsüchtige Harren der Schöpfung wartet auf die Offenbarung der Söhne Got-tes.
20 Denn die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen worden - nicht freiwillig, sondern durch den, der sie unterworfen hat - auf Hoffnung hin,
21 daß auch selbst die Schöpfung von der Knechtschaft der Vergänglichkeit frei gemacht werden wird zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes.
22 Denn wir wissen, daß die ganze Schöpfung zusammen seufzt und zusammen in Geburts-wehen liegt bis jetzt.
23 Nicht allein aber sie, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlingsgabe des Geistes haben, auch wir selbst seufzen in uns selbst und erwarten die Sohnschaft; die Erlösung unseres Leibes.


2. Erster Wegabschnitt

Man darf das zentrale Wort Schöpfung, das hier gebraucht wird, allumfassend verstehen. Nicht nur die Menschen warten sehnsüchtig, auch die Tiere im Wald und die Bäume und die Blumen. Alles, was lebt, hat eine Ahnung davon, daß es ein zwangsläufiges Ende haben muß mit seinem Leben, und es stemmt sich mit seiner ganzen Lebenskraft gegen dieses Ende und gegen den Verfall. Der Baum trotzt Jahre und Jahrzehnte dem Wind, das Tier richtet sein ganzes Leben so ein, daß es den Verfolgern entkommt, die Blume nutzt jeden Tropfen Wasser und jede Minute Sonnenschein, um ihre Schönheit zu erhalten, aber am Ende fällt der Baum und stirbt das Tier und verwelkt die Blume.

Paulus gibt allen Kreaturen eine Persönlichkeit (ich weiß nicht, ob es eine andere Stelle in der Bibel gibt, die das in gleicher Weise tut), und er sagt: alle Kreaturen schauen zu uns Menschen herüber und fragen uns, wann denn nun endlich die Zeit der Erlösung gekommen ist, die Zeit der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes, wie Paulus es ausdrückt.

Welcher Art ist diese Freiheit? Es ist das Ende der Vergänglichkeit. Paulus sagt, das Ende der Knechtschaft der Vergänglichkeit. Die Herrlichkeit besteht also aus der Unvergänglichkeit. Darauf wartet die gesamte Schöpfung. Und Paulus sagt: auch wir warten sehnsüchtig, und das ganz unabhängig von den vielen hoffnungsvollen Dingen, von denen vorher im Brief die Rede war. Selbst die schönsten Gaben Gottes helfen uns letztlich nicht gegen unsere Sehnsucht auf Unvergänglichkeit. Sie ist die letzte Gabe, und wir besitzen sie noch nicht. Und so wünschen wir uns zusammen mit aller Kreatur, daß wir von der Sklaverei befreit werden, die uns unerbittlich mit jedem Vorrücken der Uhr einen Teil unseres Lebens abschneidet.

Ich denke, an diesem Bild können wir zunächst einmal alle stehen bleiben und sagen: ja es ist so. Wir alle seufzen, wir leiden, vermutlich unterschiedlich, jeder auf seine Weise. Wir leiden an der Vergänglichkeit unseres Körpers und unseres Lebens. Ich als 61jähriger empfinde das viel stärker als ein zehnjähriges Kind. Aber ich weiß noch, auch damals in meiner Kinderzeit habe ich etwa das näherrückende Ende der Schulferien wie einen dunklen Bann über meinem Leben empfunden, fast wie einen Fluch. Und meine Sehnsucht war es, eine Welt zu haben, in der nicht immer alles aufhört, wenn es am schönsten ist.

Auch das Leiden an manchem Elend in der Schöpfung um uns herum gehört in diese Sehn-sucht mit hinein. Wir werden nicht gerne daran erinnert, daß allein im jetzt zu Ende gehen-den Jahrzehnt in zwei großen Katastrophen, dem Tsunami von Weihnachten 2004 und dem Erdbeben in Haiti vom 12. Januar diesen Jahres etwa 500.000 Menschen teilweise qualvoll ums Leben gekommen sind. Das hat manchem den einfachen Glauben an eine Welt, in der Gott alles so herrlich regieret, wie wir es in einem schönen Lied singen, erschüttert, mir ehrlich gesagt auch. Es hat auf jeden Fall bei allen, die nachdenken, diese Sehnsucht neu angefacht, von der Paulus spricht, die Sehnsucht nach einer Welt, in der es kein Ende mehr gibt und in der deshalb solche Qual nicht mehr sein muß.

Deshalb meine ich, daß wir uns um dieses Wort sammeln können - mit durchaus unter-schiedlichen Gefühlen – aber trotzdem zunächst einmal sagen können, daß wir ihm zu-stimmen, ja, daß es in unserem Herz etwas aufweckt, das uns bereit macht, weiteres aus dem Brief des Paulus zu hören.

3. Zweiter Wegabschnitt

Damit komme ich zu meinem zweiten Wegabschnitt. Ich will hier fragen, warum uns Paulus auf dieses sehnsüchtige Warten aufmerksam macht. Dazu muß man das lesen, was er den Römern in den vorangegangenen Abschnitten gesagt hat. Ich lese zunächst die unmittelbar vorangehenden Verse:

15 Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wieder zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater!
16 Der Geist selbst bezeugt zusammen mit unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind.
17 Wenn aber Kinder, so auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir wirklich mitleiden, damit wir auch mitverherrlicht werden.

Es ist nicht leicht, den Weg mit wenigen Worten zusammenzufassen, den Paulus über die ersten acht Kapitel geht. Ich sagte schon, es ist ein Gebirge von Gedanken. Zu sehen ist aber, daß er mit diesem achten Kapitel zu einem Abschluß kommt, um dann im neunten Kapitel ein neues Thema – Israel – zu beginnen.

Was ist dieser Abschluß? Nun, wir lesen etwas von der großen Herrlichkeit am Ende der Zeiten, in der wir mit hineingenommen werden in den Reichtum Gottes. Erben Gottes! Das ist ein großes, erhabenes Wort, das man getrennt von den anderen Worten nicht einmal leicht aussprechen kann. Und vor dem Hintergrund dieser Herrlichkeit sind die Leiden der Gegenwart erträglich, ja fast ein Nichts.

Dies erscheint mir die zentrale Botschaft des Paulus zu sein. Und bei dieser letzten Aussage könnte Paulus es auch fast bewenden lassen, wenn er in seinen Briefen nur einem einzigen roten Faden folgen würde. Ich gestehe, daß ich bei der Vorbereitung diesen roten Faden gesucht habe, daß ich ihn aber immer wieder aus den Augen verloren habe. Das kann einem ja bei den Paulusbriefen leicht so gehen, und manchmal legt man sie sogar mit der etwas hochmütigen Einschätzung zur Seite, daß der gute Apostel bisweilen ein etwas sprunghafter und unsystematischer Kopf war.

Vielleicht kann ich an dieser Stelle etwas Allgemeines zu der Art und Weise sagen, wie wir die Briefe des Paulus lesen. Man kann sich sehr leicht zu einem falschen Urteil verleiten lassen, weil man allgemein an die Paulusbriefe den hohen Anspruch erhebt, daß sie große, weltbewegende Anordnungen eines großen Denkers der Christenheit sind. Das ist zwar sicherlich richtig, und man darf sie, man muß sie vielleicht sogar so verstehen, nachdem sie 2000 Jahre lang ja tatsächlich auch so gelesen wurden und in ihrer Wirkung immer noch nicht am Ende sind.

Aber man darf sie gelegentlich auch einmal als die vergleichsweise kleinen Briefe an eine kleine Empfängerschar lesen, die sie ursprünglich einmal gewesen sind. Es ist denkbar, einiges weist darauf hin, daß die Gemeinden, die den jeweiligen Brief lasen, anfangs nur aus einigen wenigen Leuten bestanden haben, Hausgemeinden und Stubenversammlungen, die noch keine großen Häuser füllen konnten. Wenn man sie als solche Empfänger vor Augen hat, dann spricht ein anderer Paulus zu uns als der Weltphilosoph mit Jahrtausendwirkung. Es spricht ein um eine kleine Gemeinde besorgter Seelsorger, der die Situation, in der sich die Menschen dieser Gemeinde befinden, sehr genau kennt.

Und deshalb verläßt er jetzt also an dieser Stelle in Vers 17 den roten Faden von der Herr-lichkeit der freien Kindschaft und Gotteserbschaft und beginnt einen Seitenfaden.

Er baut etwas ein, was zunächst einmal wie eine Bedingung klingt: alles, was ich gesagt habe, gilt nur, wenn ihr Römer in ähnlicher Weise wie Jesus zu leiden bereit seid.

17 Wenn aber Kinder, so auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir wirklich mitleiden, damit wir auch mitverherrlicht werden.

Wenn man das als ein Wort des Seelsorgers in eine konkrete Situation hinein liest, dann kann man fast das wenn weglassen, denn es steht aller Wahrscheinlichkeit nach fest, daß dieses Leiden den Römern unmittelbar bevorsteht, ja vielleicht sogar schon begonnen hat.

Paulus lebt, während er dies schreibt, bereits in den Zeiten, in denen sich die Christenver-folgungen unter Nero (die beginnen im Jahre 64, aber es hat bereits in den 40er Jahren Verfolgungen unter Claudius gegeben) ankündigen oder bereits im Gang sind. Und es wäre für einen Seelsorger vollkommen undenkbar, die große und erhabene Lehre von der Freiheit der Christen nicht auch mit einem realistischen Ausblick auf ihr bedrohtes Leben zu verbinden.

Paulus sagt den Römern nun also, daß die realen Leiden, die sich am Horizont ankündigen, die vielleicht sogar schon an die Tür klopfen, nichts sind im Vergleich mit der Herrlichkeit, die am Ende der Zeiten auf uns warten wird.

Wir heutige dürfen dabeistehen und zusehen, mit welcher Liebe ein praktischer Seelsorger seiner Gemeinde in einer Notsituation beisteht. Und für uns gewinnt dann das Bild vom sehnsüchtigen Warten der Kreatur eine neue Qualität. Es dient nämlich jetzt als eine Art Beweis dafür, daß es kein leeres Versprechen ist, wenn Paulus angesichts der sich gegenwärtig auftürmenden Not auf die zukünftige Herrlichkeit verweist.

Daß dieser Verweis einer Vertröstung sein könnte, das haben natürlich auch die Römer schon gewußt und gefürchtet. Sie mußten nicht auf Karl Marx warten, der den christlichen Glauben ja ganz allgemein vorgeworfen hat, er vertröste auf das Jenseits statt im Diesseits etwas zu ändern. Nein, unser Zweifel braucht nicht durch Karl Marx angefacht zu werden, er ist bereits so vorhanden. Und deshalb sucht Paulus eine Antwort auf ihre Bedenken und Zweifel.

Er findet diese Antwort und sagt: unsere Sehnsucht weist uns den Weg aus unseren Zwei-feln heraus. Unsere Sehnsucht beweist am Ende, daß unser Leben auf Gott und seine Ewigkeit hinausläuft. Die Sehnsucht nach Unvergänglichkeit kann nicht ins Leere gehen. Sie spricht aus den Herzen unzähliger Menschen - und Paulus sagt: auch aus der Seele der sprachlosen Kreatur - sie ist einer der stärksten Hinweise auf die Existenz Gottes, die wir kennen.

So sind wir also nicht nur gerufen, uns um ein schönes, eindrucksvolles Bild zu scharen, wir sollen vielmehr hinter diesem Bild spüren, wie es uns mit Macht zur Realität Gottes hin zieht.

4. Dritter Wegabschnitt

Hier will ich zum letzten Wegabschnitt kommen und einen roten Faden in unserem Abschnitt des Römerbriefes aufzeigen. Ich meine, daß der eigentliche rote Faden sich ganz am Ende zeigt, wo es heißt:

38 Denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, 39 weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.

Dieser Satz ist einer der ermutigendsten Sätze der Bibel, und er hat Generation von Men-schen im Glauben gestärkt, besonders in dem Glauben, den wir alle eines Tages brauchen werden, wenn wir die letzten Schritte unseres Lebensweges gehen müssen. Es ist die Bot-schaft einer grenzenlosen Gewißheit, daß zwischen uns und Gott keine Macht der Welt auch nur eine Handbreit Platz erzwingen kann. Darf man annehmen, daß Paulus, der Seelsorger, seine gesamte Argumentation der ersten Kapitel auf diesen letzten Satz ausgerichtet hat? Ich meine: man kann!

Hören wir noch einmal genau hin: was ist es, von dem nichts uns trennen kann? Ist es die Macht Gottes, seine Weisheit oder Gerechtigkeit oder Gegenwart? Nein dieser Abschnitt spricht am Ende zentral von der Liebe Gottes. Auf sie läuft am Ende alles hinaus. Sie hält die Welt in ihrem Bestand zusammen, sie ist der Urgrund unserer Existenz, zu ihr kehren wir eines Tages zurück.

5. Schluß

Ich fasse zusammen: damit das Wort von der unendlichen Liebe in den Herzen der Römer fest wird, geht Paulus den Weg über das Bild vom sehnsüchtigen Warten der Schöpfung. Die Herrlichkeit der Gotteskinder, auf welche die Schöpfung wartet, lohnt das Leiden der Gegenwart. Die Sehnsucht ist ein Beleg dafür, daß diese Herrlichkeit keine Vertröstung ist. Und die Liebe Gottes ist die letzte Garantie dafür.

Paulus will die bedrängten römischen Christen in dem Glauben bestärken, daß es die Liebe Gottes ist, die uns am Ende erwartet, und von der wir zu keiner Sekunde unseres Lebens auch nur einen Millimeter getrennt sind. Die Möglichkeit einer solchen Trennung steht den Römern sehr viel deutlicher vor Augen als uns. Wir wissen wenig davon, wie eine funda-mentale äußere Bedrohung aussehen könnte.

Aber auch wir fürchten uns vor einer Bedrohung unserer Existenz. Jeder hat einen Begriff von dieser Angst, hat ein Wort dafür, vielleicht ein einziges, böses Wort. Und wir dürfen dieses Wort einsetzen in die Verse 38 und 39 und sagen: auch dies kann uns nicht trennen von der Liebe Gottes.

Hier schließt unser Weg durch den Römerbrief ab, und er schließt sich mit dem Weg der Römer zusammen. Sie haben es bereits erfahren, daß nichts von der Liebe Gottes trennt, uns steht die Erfahrung noch bevor. Es wird eine gute Erfahrung werden.

Wenn wir gleich eine Zeit der Gebetsstille haben, dann soll Gelegenheit dazu sein, dieses eine Wort für die bedrohliche Sache zu denken, die uns ganz persönlich von Gott trennen könnte. Und dann wollen wir mit dem Vaterunser abschließen, und wenn wir sagen, dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, dann wollen wir an seine Macht denken und glauben, daß er uns bei sich behalten will, für alle Zeiten.

Amen.


Lieber Vater im Himmel,

keine Macht der Welt kann uns von Deiner Liebe trennen. Viele von den ersten Christen im Rom, denen dieses Wort als ersten galt, haben das in ihren Hoffnungen und Zweifeln gehört und haben sich fest machen lassen, in dem Sturm, der über sie hereinbrach. Sie haben dem Sturm widerstanden und sind mit ihrem Mut und ihrer Standhaftigkeit ein Zeugnis geworden, das die Kirche groß gemacht hat.

Auch wir stehen vor Stürmen in unserem Leben, viele von uns können sie benennen, sehen sie auf sich zu kommen oder stehen bereits mittendrin. Du hörst die Worte, die jetzt in unseren Herzen ausgesprochen werden, unhörbar für die anderen, aber hörbar für Dich.

Wir wollen Dir jetzt sagen, daß wir Dir vertrauen, uns durch die Stürme des Lebens zu tragen und uns fest an der Hand zu halten. Wir sind gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn und deshalb sagen wir gemeinsam Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit, in Ewigkeit.

Amen.

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