Dienstag, 17. August 2010

Vom Bohren von Löchern in Menschen




Heute ist meinem Körper erstmals in seiner 61jährigen Existenz ein Stück Metall eingesetzt worden. Meinem Vater war das schon früher widerfahren, er fluchte immer leise "Der Russe!" wenn er gegen den Granatsplitter aus dem Weltkrieg stieß, der an seinem Schienbein saß. Bei mir dagegen ist es eine saubere Schraube, sie sitzt im Kiefer und soll in wenigen Monaten einen neuen künstlichen Backenzahn auf ihrer Spitze tragen.

Mein freundlicher Dr. Dietz* ein gebürtiger Mannheimer mit einem beruhigend wirkenden südhessischen Akzent ("des iss jetzt gaanz primma!"), im Bild unten, benötigte dann allerdings zwei Anläufe, um das edle Ersatzteil (aus Titan!) in meinen Unterkiefer zu befestigen. Beim ersten Versuch vor einem halben Jahr stellte sich heraus, daß der Kiefer noch ein nicht richtig zugewachsenes Loch vom alten Backenzahn hatte. Das mußte erst durch einen Knochenbrei aufgefüllt werden und sich auffüllen.

Heute nun zeigte sich, daß der Kiefer zur allseitigen Zufriedenheit ausreichend an Masse gewonnen hatte. Leider erwies er sich an seiner Innenseite dann aber wiederum als so fest, daß der Gewindeschneider (im Bild oben ganz links, das andere sind Bohrer verschiedener Stärken, die alle zum Einsatz kamen) in diesem Bereich keine sauberen Rillen mehr bohren konnte. Es wurde entschieden, den Titan-Dübel entsprechend einige Millimeter kürzer zu wählen.

Nach einem mir unendlich lang erscheinenden Vernähen des übriggebliebenen Zahnfleisches wurde ich dann als geheilt entlassen (Foto oben), vom Schweiß unter den hellen OP-Lampen ein wenig derangiert wirkend, ansonsten aber ungebrochen.

Das Röntgenbild zeigt den schönen Erfolg.





Wenn man genau hinsieht, erkennt man das Gewinde, mit dem sich das Titanimplantat im Kiefer festhält.

Vorbereitet wurde ich durch die freundliche deutsche Türkin Burcu Dizdaroglu*, deren schöne dunkle Augen das letzte waren, was ich sah, bevor sich das grüne Tuch des Operateurs wie eine Burka über mein Gesicht senkte und nur eine kleine Raute für Nase und Mund offen ließ. Mich durchzuckte kurz der Gedanke, daß es nun, nach diesem Blick, wohl ein schöner Tod wäre, wenn er mich denn hier ereilen würde.

* alle Namen natürlich geändert


1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

Vorbereitet wurde ich durch eine freundliche deutsche Türkin, die, wie ein kleines Schild an ihrem Berufskittel anzeigte, wunderbarerweise Burcu Dizdaroglu hieß. Wenn sie sich zu mir neigte, spürte ich die kühle, von ihr ausgehende Fürsorglichkeit, und einmal rührte sie sogar, viel länger, wie ich mir einbildete, als nötig gewesen wäre, mit ihren Fingerkuppen an meine wie so oft vor Schmerz klopfenden Schläfen. - Fast muß es mir leidtun bei solchen Erlebnissen, wenn meine traditionellen Zahnprothesen wider alles Erwarten schon so lange halten. Alles Gute weiterhin!