Sonntag, 28. März 2010

Eine Predigt




In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen
(Johannes 14,2)

Eine mp3-Aufzeichnung findet sich auf der Homepage meiner Gemeinde.


1. Wo man aufatmen darf und hoffen

Ein jüdischer Schriftsteller muß 1938 vor den Nazis aus Österreich fliehen und geht nach Paris. Auch das wird von den Deutschen besetzt, 1940, und er flieht in den noch freien Teil Frankreichs, nach Süden. Weil aber auch dort die Verfolgung von Juden droht, versucht er, über die spanische Grenze und dann nach Portugal zu kommen, um von dort ein Schiff in die USA zu nehmen. Er findet die Grenze nach Spanien versperrt, kehrt mit seiner Frau um und landet inmitten von Tausenden von fliehenden Menschen im Ort Lourdes, dem auch damals schon berühmten Wallfahrtsort der Katholiken. Dort wird er freundlich aufgenommen, muß einige Wochen warten, bis die Ausreise am Ende schließlich doch ermöglicht wird, und lernt in dieser Zeit die Geschichte der Bernadette Soubirous kennen, dem Mädchen, das an diesem Ort im Jahre 1858 in verschiedenen Visionen die Maria gesehen hatte.

Er schreibt über die Zeit in Lourdes:

Eines Tages in meiner großen Bedrängnis legte ich ein Gelübde ab. Werde ich herausgeführt aus dieser verzweifelten Lage und darf die rettende Küste Amerikas erreichen […] dann will ich als erstes vor jeder anderen Arbeit das Lied von Bernadette singen, so gut ich es kann.

Der Dichter, Franz Werfel, entkommt nach Amerika, schreibt sein Buch, das er Das Lied von Bernadette nennt, es wird ein Erfolg, ein Film folgt, die Hauptdarstellerin Jennifer Jones bekommt den Oscar für ihre Darstellung der Bernadette, das Lied von Bernadette geht um die ganze Welt.

Ich habe das Buch vor etwa 20 Jahren gelesen, da war ich 40, und war von der jüdischen Herzensfrömmigkeit Werfels angetan, aber auch von der Person des Bauernmädchens Bernadette.

In besonderer Erinnerung ist mir eine Szene des Buches geblieben. Es wird erzählt, daß in dem Kloster, in das Bernadette später als Nonne aufgenommen wird, eine ihre Nonnenschwestern stirbt, und es heißt:

Der Tod im Kloster aber ist eine Art Richtfest der Seele, das die zünftigen Maurer und Zimmerleute feiern, wenn das Haus aufgestellt ist. Man hat mit unermüdlichem Fleiß gearbeitet für diesen einen einzigen Tag, wo man aufatmen darf und hoffen, dass die sichere Wohnung erbaut ist für immer. Ein Todestag im Kloster kann mit der Sensation festlicher Neugierde verbunden sein. Die Nonnen drängen sich gerne um die Sterbende zum inbrünstigen Gebet. Sie glauben, ihrer Schwester helfen zu können in den letzten Wehen. Sie fühlen sich als weise Frauen, als Hebammen der übernatürlichen Entbindung einer Seele in die andere Welt.
(S. 417)

Ich habe das damals mit einer gewissen Ergriffenheit gelesen und habe mir gewünscht, einmal so sterben zu können. Das klingt vielleicht vermessen, und es war damals ja auch noch eine lange Zeit hin. Aber ich habe es nie vergessen und bin darüber froh, daß die Erinnerung jetzt, wo ich 20 Jahre weiter bin, also auch 20 Jahre näher an meinem Tod, neu auflebt und eine innere Stimme zu reden beginnt und mir sagt: warum eigentlich nicht?

2. Forever young?

Warum nicht? Nun, da ist zunächst einmal die Anschauung der Welt, in der ich lebe, in der wir alle leben. Als ich jung war, kam mit der sogenannten 68er Generation eine neue Art von Jugendkult auf die Welt, der bis heute das geistige Klima bestimmt. Trau keinem über 30! wurde damals gesagt, und Bob Dylan sang Forever young. Das ließ sich natürlich nicht durchhalten, spätestens, wenn man selbst 30 Jahre alt wurde, musste man Mittel und Wege finden, auch ein Verhältnis zu den älteren Menschen aufzubauen, zu denen man nach und nach ja selbst gehörte. Trotzdem - man blieb dabei, dass die schönste Zeit des Lebens vor dem Zeitpunkt liegt, wo man 30 wird. Und dann kleidete man sich entsprechend und versuchte, bis ins hohe Alter einen jugendlichen Eindruck zu machen.

Gleichzeitig hörten die Kirchen auf, sich mit der Ewigkeit zu beschäftigen. Auch hier sollte das Leben gefeiert werden - jeder hat vermutlich schon einmal eine typische, zeitgemäße Predigt über die Hochzeit zu Kana gehört, in der Jesus als der Herr des Festes gefeiert wird. So ist die Stimmung, so war es 1968 und so ist es bis heute. Man kann ja aus dieser Hochzeitsgeschichte auch das Umgekehrte herauslesen: diese Welt ist ein Ort, an dem immer wieder der Wein ausgeht und es mit dem Feiern ein Ende hat. Aber das wollte und will niemand hören.

Ich habe dann, als ich 60 wurde, in der Bibel verstärkt nach Stellen gesucht, die etwas von der anderen Welt erzählen, der Welt, der man sich im Alter nähert und in die man nach seinem Tod eintritt. Und ich bin immer wieder zu dem Wort zurückgekehrt, das heute im Mittelpunkt dieser Predigt stehen soll. In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.

Dieses Wort ist mir allein schon deshalb lieb, weil es mich an meinen leiblichen Vater erinnert und an dessen Wohnungen, die er als Bauunternehmer selbst gebaut hatte und besaß. Es gehörte eine Zeit lang ganz selbstverständlich zum Leben meiner Familie, daß man immer wieder auf Wohnungen angesprochen wurde, in der Zeit, als die noch knapp waren. Es war etwas Besonderes, einen Vater zu haben, der viele Wohnungen sein eigen nennen konnte.

Dieses Wort im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen kann uns wie ein wunderbarer Leitstern durch alle Dunkelheiten unseres Lebens begleiten und am Ende auch durch unseren Tod, welcher ja auf uns alle wartet, jung und alt. Das Wort kann wie ein Schatz sein, wie eine Münze aus purem Gold. Die müssen wir allerdings blank polieren und tief in unsere Tasche stecken.

3. Das Zeugnis der Liebe

Wie kann das gehen, oder konkret gefragt: was kann uns in unserem Glauben sicher machen, daß am Ende unseres Lebens eine Wohnung bei Gott auf uns wartet? Was gibt es, das gewissermaßen die Worte von Jesus so unterstreicht, daß sie in unser Herz und in unseren Sinn eingeschrieben sind und stärker sind als alle unsere Zweifel und Bedenken?

Ich denke, daß uns hier zweierlei helfen kann. Das erste ist die große Offenbarung der Liebe Gottes, die wir in diesem Kapitel des Johannesevangeliums in einzigartiger Weise vorgestellt bekommen. Wir sehen Jesus vor uns, wie er in einer Geste der Niedrigkeit sich eine Schürze umbindet, sich niederkniet und seinen Jüngern die Füße wäscht. Was er ihnen mit diesem Zeichen sagen will und was er ihnen später auch mit Worten sagt ist und was er dann schließlich mit seinem Tod am Kreuz bezeugt, ist, daß Gottes tiefstes Wesen die Liebe ist.

Gott liebt die Welt, und der zentrale Sinn aller seiner Gebote besteht darin, daß diese Liebe in der Welt immer mehr Raum findet und daß die Menschen sich untereinander lieben. Ein neues Gebot gebe ich euch, sagt Jesus, daß ihr einander liebt. Man könnte jetzt einwenden, daß dieses Gebot ja schon früher in der Welt war, nämlich Gott zu lieben und seinen Nächsten wie sich selbst. Aber das neue besteht darin, daß Jesus sagt, so wie ich euch geliebt habe, so liebt euch untereinander. So wie er die Menschen liebt - ihnen die Füße waschend und wenig später ihnen in den Tod vorausgehend - so sind sie, so sind wir nie vorher und nie nachher geliebt worden. Das ist neu, diese Liebe ist in ihrer Stärke und Qualität einzigartig.

Es hat in der letzten Zeit häufiger die Diskussion gegeben, warum Jesus sterben mußte. Die Menschen von heute möchten gerne von der Vorstellung Abschied nehmen, daß sein Tod eine Art von Menschenopfer gewesen ist. Sie möchten, und man muß sicherlich dafür Verständnis haben, von der Vorstellung der alten Kirche Abstand nehmen, daß die Sünden der Menschen Gott in einem derartigen Maß zornig gemacht haben, daß ihn jetzt nur noch ein allerletztes großes Opfer wieder versöhnlich stimmen konnte. Wir möchten nicht an einen Gott glauben, dem wir uns als grausam vorzustellen hätten.

Nun sagt die Bibel allerdings, daß Jesus für unsere Sünden* gestorben ist. An einer anderen Stelle heißt es, daß er für uns zur Sünde gemacht wurde**. Die Bibel hat eine ganze Reihe von Begriffen, um seinen Tod zu erklären. Ich denke, wir sollten keinen davon gering achten, auch den nicht, der erst einmal nicht in unsere Vorstellungswelt passen will. Alle Begriffe gehören zusammen. Aber am Ende erscheint über allen Gedanken, die wir mit dem Tod von Jesus verbinden, ein großes helles und warmes Licht, das Licht der Liebe Gottes.

In allem, was wir auf Golgatha sehen, scheint dieses Licht der Liebe Gottes auf. Wir sollen verstehen, daß es die Macht der Liebe ist, die sich in Jesus offenbart, und wir sollen uns ihr hingeben, wie es in dem schönen Lied heißt, und am Ende unser ganzes Leben in diese Macht hineingeben und darauf vertrauen, daß sie uns durch unseren Tod hindurch trägt und den Weg zu dem Platz findet, von dem Jesus sagt, in meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.

Man kann über den Passionsfilm von Mel Gibson (2004) unterschiedliche Meinungen haben und besonders über die Person von Mel Gibson, aber es ist zumindest eine Szene darin, welche nach meinem Eindruck das Geschehen auf Golgatha vollkommen richtig deutet: in der Sekunde, wo ein Soldat dem schweren Hammer erhebt, um den Nagel durch die Handfläche von Jesus zu treiben, hält der Film an und geht zu der Szene zurück, über die wir heute sprechen***. Jesus sitzt in dieser letzten Runde mit seinen Jüngern zusammen, teilt Brot und Wein unter ihnen aus und sagt ihnen, daß er sie liebt****. Dann blendet der Film wieder vor, schlägt der Hammer zu, aber dann ist es gerade so, als ob er jetzt festmachen will, daß diese Liebe auf ewig gilt.

4. Das Zeugnis der Jünger

Es gibt noch etwas Zweites, was uns in unserer Hoffnung auf die Wohnungen in des Vaters Haus fest machen kann, und das ist das Zeugnis der Jünger. Nun ist das Zeugnis an dieser Stelle erst einmal alles andere als überzeugend. Ihr wißt den Weg, wohin ich gehe, sagt Jesus, aber Thomas sagt: wir wissen ihn nicht. Man muß den Thomas für diese Bemerkung segnen, denn sie veranlaßt Jesus, jetzt ganz ohne Vorwurf zu antworten und sein berühmtes Wort zu sagen: ich bin der Weg. Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater als nur durch mich.

Danke, Thomas, daß du gefragt hast! Ohne deine Frage hätten wir vielleicht nie diese lebensspendende Antwort, diese große Verheißung gehört. Aber das Spiel von Frage und Antwort, Zweifel und Gewißheit ist noch nicht zu Ende. Auch Philippus hat eine Frage, er möchte wissen, wie der Vater aussieht, dem diese vielen Wohnungen gehören. Und auch ihm gibt Jesus geduldig eine Antwort, auch wenn hier ein kleiner Vorwurf vorangestellt wird: so lange Zeit bin ich bei euch und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.

Ich denke, es ist uns erlaubt, uns in diesen Jüngern, die ganz in der Nähe von Jesus leben und trotzdem so wenig verstehen, wie in einem Spiegel wiederzuerkennen. Auch wir haben Fragen und Bedenken und Zweifel. Aber wir dürfen das mit den Jüngern zusammen überwinden. Sie sind ja nicht eine Truppe von Kleingläubigen geblieben. Die meisten von ihnen haben wenige Monate später bei dem Entstehen der jungen christlichen Gemeinde eine tragende, die Menschen stärkende Rolle gespielt. Einige von ihnen haben ebenso wie ihr Herr mit einem gewaltsamen Tod Gott verherrlicht, sind Märtyrer geworden.

Und wenn sie und ihre Schwestern und Brüder aus den neuen Gemeinden Verfolgung, Folter und Tod ertragen haben, dann werden sie in ihren Herzen dieses Wort getragen haben in meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Sie werden mutig in den Tod gegangen sein, weil sie diese Wohnungen leibhaftig vor ihren Augen gesehen haben und wußten, daß jetzt die Stunde gekommen war, sie in Besitz zu nehmen, für immer.

So, mit dieser starken Hoffnung sind sie gestorben, und die Generationen nach ihnen ähnlich. Noch später sind dann viele sicherlich leichter gestorben als die Märtyrer der ersten Stunde. Und auch unsere Hoffnung ist es ja, daß unser Tod nicht gewaltsam sein wird, daß wir eines Tages in Frieden Abschied nehmen können von dieser schönen Welt. Aber ganz ohne Schmerzen wird es bei den meisten von uns nicht gehen, und da ist es gut mit dem Wort im Herzen auf den letzten Weg zu gehen in meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.

5. Schluß

So möchte ich leben, und so möchte ich sterben. Und ich weiß, daß viele von euch genauso denken wie ich. Ich hoffe, daß ich die Alten ermutigt und die Jungen nicht abgeschreckt habe mit diesen Gedanken. Auch wenn man erst 20 ist, lebt es sich besser in der Zuversicht, daß für alle Phasen meines Lebens gesorgt ist, auch für die letzte.

Und nun laßt uns in die Osterwoche gehen und uns freuen auf das Fest der Auferstehung, das auf uns wartet. Wir sind gerufen, als Kinder der Auferstehung zu leben, als Kinder eines neuen Lebens, als Kinder des Lichtes. Unser Herr hat unseren letzten und größten Feind, den Tod, besiegt. Und er wartet auf uns in den ewigen Wohnungen seines Vaters.

Amen.

* Gal 1,4: der sich selbst für unsre Sünden dahingegeben hat, dass er uns errette von dieser gegenwärtigen, bösen Welt nach dem Willen Gottes, unseres Vaters;
1Joh 2,2: Und er ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.

** 2Kor 5,21: Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.

*** im Gottesdienst wurde zuvor Johannes 13 und der Anfang von Johannes 14 gelesen, Fußwaschung und Abschiedreden Jesu.

**** deutsche Untertitel im Film: Ich kann nicht viel länger bei euch sein, meine Freunde, wohin ich gehe, dorthin könnt ihr nicht gelangen. Folgt meinem Gebot, wenn ich gegangen bin… Liebt einander. So wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.

Donnerstag, 25. März 2010

Markus




Gestern habe ich einen neuen Abschnitt in meinen Blog zum Markusevangelium eingestellt und warte jetzt darauf, daß Freund Nureddin wie abgesprochen eine Antwort darauf schickt. Er ist für ein paar Tage in den USA, wenn er zurückkommt, wird er mir einen Kommentar zu meinem Abschnitt zusenden. Mir macht das Lesen dieses Evangeliums und das gleichzeitige Schreiben darüber viel Freude, weshalb ich hier einmal in eigener Sache werbe und auf den Markusblog hinweise.

In meinem langen Leben als Christ habe ich ungezählte Male Gelegenheit gehabt, in diesem Evangelium und den anderen zu lesen, Predigten darüber zu hören und die Kommentare kluger Fachleute zu studieren. Das Bild eines jungen Studienreferendars, der mit uns in der elften Klasse die "Verdunklungstheorie" aus Markus 4 besprach, ist mir noch lebendig in Erinnerung (und der neue Abschnitt geht auch auf die Gedanken des Lehrers ein).

In meinem Kopf und meinem Herzen hat sich nach und nach ein Bild abgerundet, über das ich jetzt zusammengaßt und fast schon ein wenig zurückblickend etwas sagen kann. Vordergründig sage ich es einem frommen Moslem, aber als Leser wünsche ich mir auch Christen, die - ähnlich wie Nureddin - sozusagen historisch-kritisch geschult an Markus herangehen und von daher auch ihre Zweifel haben. Ich wünsche mir, daß sie dabei die Erwartung nicht verlieren, in dem alten Text könnte sich eine Tür öffnen, durch die ein helles Licht aus einer anderen, besseren Welt zu uns leuchtet.

Möglicherweise gelingt das nicht, jedenfalls nicht auf dem Weg über meinen Blog. Aber dann soll zumindest das milde Licht einer Schreibtischlampe vor dem inneren Auge des Lesers auftauchen, darunter das Buch und daneben ich langsam alt werdender Mensch, über Markus gebeugt und innerlich ein wenig von der Freude erhellt, daß es dieses Buch gibt, und daß man es immer und immer wieder lesen und befragen kann und nie ärmer dabei wird.



Samstag, 20. März 2010

Meine Antwort an "brevex"






Dein Kommentar enthält eine Reihe von bedenkenswerten Aspekten. Auf zwei davon möchte ich gerne näher eingehen.

Du schreibst über das Wissensmanagement deines klugen Vaters, daß er offenkundig stärker an dem interessiert ist, was er dauerhaft wissen möchte, als an dem, was er an täglichen Informationen neu hinzufügen (und teilweise gleich wieder vergessen) kann. Bei dir sei es eher umgekehrt.

Nun frage ich mich, ob es diese Umkehrung der Verhältnisse wirklich in reiner Form gibt. Außerdem frage ich mich, ob wir diese beiden unterschiedlichen Wissensbereiche tatsächlich so bewußt managen können, wie du das sagst. Je länger ich lebe, desto mehr ärgere ich mich über die Dinge, die mir mein törichtes Gedächtnis beständig und wie von selbst hervorholt, während es andere Dinge, die mir viel wichtiger zu sein scheinen, vergißt. Jeder beobachtet sicherlich an sich selbst, wie verwirrend das sein kann.

Ich denke oft an das Beispiel eines besonders dramatisch gescheiterten Versuches, seine Erinnerung zu managen. Der englische Autor Paul Theroux hat in seinem Buch über den Literaturnobelpreisträger V.S. Naipaul, den Theroux über lange Phasen seines Lebens begleitet hat, davon erzählt, wie der ältere Autor Naipaul den jüngeren Theroux gleich bei einer der ersten Begegnungen angehalten hat, ein Tagebuch zu führen.

Theroux ist dem für einige Jahre gefolgt und hat die Tagebücher aus der gemeinsamen Zeit mit Naipaul dann später ausgewertet, als er das Buch über ihn geschrieben hat. Zu seinem Erstaunen hat er festgestellt, daß er alles das, was in den Tagebüchern stand, vollkommen vergessen hatte, während er sich ohne weiteres an vieles aus den Zeiten erinnern konnte, in denen er kein Tagebuch geführt hatte.

Ich schließe daraus, daß es möglicherweise ein sinnvolles Programm in unserem Kopf gibt, das uns alle Informationen löschen läßt, von denen wir annehmen können, daß sie sich ohne Mühe auf anderem Wege wiederbeschaffen lassen. Ich finde das oft in der täglichen Arbeit bestätigt, wenn ich alte Geschäftsbriefe lese und bei vielen von ihnen schwören könnte, sie nie geschrieben zu haben. So perfekt habe ich alles vergessen, was Gegenstand dieser in meinem Archiv ja sicher verwahrten Briefe war.

Hinter der Frage, was wir dauerhaft behalten oder nur kurzzeitig googeln wollen, tut sich die größere und sehr persönliche Frage auf, was sich in Zukunft aus den tieferen Schichten unseres Denkens immer wieder von selbst nach oben drängen wird, und ob es uns gelingt, dies zu kontrollieren. Von einem klugen Freund, der vor Jahren eine schwierige Phase in seinem Leben überstehen mußte, habe ich das Bild von der quälenden Waschmaschine im Kopf , die sich bei ihm in dieser Phase in schlaflosen Nächten auf immer die gleiche verstörende Weise drehte, ein paarmal links, ein paarmal rechts, ohne Ergebnis aber auch ohne die Möglichkeit, die in dieser Maschine gewendeten Gedanken in irgend einer Weise zu beeinflussen. Damit uns das nicht in ähnlicher Weise eines Tages geschieht, müssen wir wohl alle zu einer tieferen Einsicht in unser eigenes Wesen kommen, und diese Einsicht liegt jenseits der Frage, ob wir Generation Google sein wollen oder nicht.

Ein zweiter Punkt betrifft die sehr schön plakativ gestellte Frage, ob man gelegentlich nicht lieber einen Passanten anspricht, als über sein Navigationsgerät das Ziel zu finden. Natürlich ist die erste Lösung dem Zusammenhalt der menschlichen Gemeinschaft förderlicher. Andererseits lehrt gerade die Erfahrung der älteren, ohne Navigationsgeräte aufgewachsenen Generation zur äußersten Vorsicht, was die Zuverlässigkeit solcher Passanten betrifft. Ich könnte da stundenlang von furchtbare Irrfahrten erzählen, den Angaben dieser Passanten folgend, dein Vater sicherlich auch.

Ich vermute, daß sich hier auf dem Weg über viele Kompromisse bald ein Vorgehen durchsetzen wird, das menschliche Kommunikation erhält, sie aber an die Voraussetzung bindet, daß man sich vor dem Gespräch gut informiert hat. Meine Erfahrung mit der gestreßten Hotline meines Softwarelieferanten lehrt mich genau das: die Frage an den Mitarbeiter mit dem Hinweis einzuleiten, daß man alle F11- Handbücher angeklickt und mehrere Versuche zur Problemlösung bereits hinter sich hat. In der Regel schließt sich dann ein entspanntes Gespräch auf hohem Niveau an, und das aktuelle Problem ist bald gelöst.

Vielleicht noch eine letzte Bemerkung zu dem, was bei allen angesprochenen Alternativem die bessere Lösung ist. Ich fürchte: keine. Mein Interesse geht jedenfalls zunehmend nicht mehr in die Richtung, das Verhalten der modernen Menschen zu bewerten sondern einfach nur zu beobachten, wie es sich entwickelt. Zwar glaube ich nicht an eine umfassende Gültigkeit des zitierten Satzes von Karl Marx, wonach das Sein das Bewußtsein bestimmt, aber sicherlich färbt unser Sein in der Welt der Computer auf unsere Lebensweise ab.

Wenn man rechtzeitig erkennt, in welche Richtung die Änderung dieser Lebensweise geht, kann man sich klug darauf einstellen, Man kann auf diese Weise zu seinem eigenen Schutz daran mitwirken, daß die Menschen weiterhin, wie es Botho Strauss einmal gesagt hat, auf erstaunliche Weise aneinander vorbei kommen.






Freitag, 19. März 2010

brevex antwortet auf "Generation Google"




Einen herzlichen Dank an "brevex", der im wirklichen Leben David heißt und ein häufiger und lieber Gast in meinem Haus ist, soviel kann ich über ihn sicherlich verraten. Er hat meinen Blog zum Thema "Generation Google " sehr nuancenreich kommentiert, und ich gebe seinen Worten hier gerne nochmal einen etwas prominenteren Raum:


Nachdem ich deinen Blog ja nun still und heimlich seit gewisser Weile verfolge, will ich den letzten Beitrag gern kommentieren. Mit Freude habe ich die wachen Beobachtungen gelesen, die in vielen Punkten das wiederspiegeln, was ich in meiner Generationen seit Jahren erlebe.

Ich zähle etliche schlaue Menschen zu meinen Freunden, die große Probleme damit haben, die europäischen Hauptstädte zusammenzutragen, die deutschen Bundeskanzler zu benennen oder sonstige als Allgemeinwissen betrachtete Fakten zu liefern. Ich selbst hätte z.B. arge Probleme die Verläufe von Rhein, Donau und Elbe zu beschreiben.

Dies hat sicher auch damit zu tun, daß ich bereits in den Anfängen meiner Schulzeit einen Computer zur Verfügung hatte, der in hoher Geschwindigkeit, sämtliche Fakten aus der digitalen Enzyklopädie Encarta hervorzauberte. Später kam dann das Internet und Google dazu. So lang meine Erinnerung reicht, war es immer wichtiger, Informationen zu Tage zu fördern als diese später noch einmal abrufen zu müssen (Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel).

Dass dies in krassem Gegensatz zum Wissensmanagement der vorhergehenden Generationen steht, wurde mir sehr früh bewußt: ich habe meinen Vater immer dafür bewundert, daß er Einzelheiten und teilweise ganze Passagen wiedergeben konnte. Ich nehme an, daß für ihn der Zusammenhang zwischen Suche und Speicherung der Information genau umgekehrt galt: Ohne Volltextsuche und Algorithmen zum Auffinden der relevantesten Quellen war es wichtig, einmal Gefundenes zu behalten. Diese Annahme wird durch die damalige Abhängigkeit von schwerer zugänglichen Texten (z.B. Bücher in der Stadtbibliothek) noch bestärkt. Quasi unendlich vervielfachbare digitale Datenquelle gab es vor 20 Jahren einfach noch nicht.

Um nun den Bogen zur Technik und ihrem Fokus auf die Lösung der Probleme zu schlagen, sollte man sich meiner Ansicht nach bewußt machen, daß die Anfänge der Rechenelektronik ja genau in diesem Ansatz begründet liegen. Es geht doch letztlich bei der Anwendung von Computern und ihren Programmen (im weitesten Sinne) immer darum, hohe Rechenkapazitäten auf die Lösung einer Frage anzuwenden. Die Durchdringung des Alltags mit Technik, erweitert dann nur den Kreis der lösbaren Probleme(-chen).

Das Ganze passiert zwangsläufig unter Zurückdrängung bekannter Problemlösungsmechanismen - insbesondere zwischenmenschlicher Kommunikation. Statt den Ortskundigen zu fragen, wo die sich die nächste nette Kneipe befindet, wird lieber die iPhone App befragt.

Dies mag durchaus Vorteile haben. Viele hast du auch bereits in deinem Text genannt. Allerdings drängen sich mir, mehr und mehr die Nachteile auf. So möchte ich gar nicht, daß mein Alltag von einer (scheinbaren) Effizienz bestimmt ist, die sonst nur im Büro verlangt ist. Für jedes Problem eine Anwendung? Ich bin doch bisher auch ganz gut klargekommen! Die Frage ist nämlich auch, ob es am Ende wirklich so viel effizienter ist. Zum einen gilt es zu bestimmen, welche Anwendung nun für welches Problem passend ist. Bis man sich dann in die jeweiligen Anwendungen eingefuchst hat, vergeht nochmals Zeit. Schon oft habe ich gedacht, daß es wahrscheinlich schneller gewesen wäre, jemanden nach dem Weg zu fragen, als umständlich im Navi herumzutippen.

Ein weiterer wichtiger Punkt scheint mir der Verlust der Kommunikationskultur. Einige der größten Affronts im heutigen Miteinander sind den kleinen Begleitern geschuldet. Nicht nur finde ich es unhöflich, wenn mein Gegenüber im Gespräch auf seinem iPhone rumfingert, sondern ich traure auch jeder Unterhaltung nach, die durch Nachrichtenüberprüfung, Spielen oder anderen iPhone Funktionen nicht zu Stande kam.

Zu guter Letzt frage ich mich, ob die fortschreitende Durchdringung des Alltags mit intelligenten Programmen und die oben beschriebenen Auswirkungen auf den Umgang mit Informationen uns zu interessanteren Menschen machen. Ein ordentliches Gespräch und jede Diskussion basiert doch auch darauf, daß die Beteiligten auf ein gewisses Maß an Bildung zurückgreifen können. Ich jedenfalls möchte nicht mit jemandem sprechen, der in Echtzeit seine Argumente per Google zusammensucht.

Ich schließe – um meine Schwarzmalerei mit ein paar grauen Tönen zu durchmischen - mit einem per Internetrecherche hervorgetanen Marx-Zitat:

Du verstehst, my dear fellow, daß in einem Werke wie meinem, manche shortcomings im Détail existieren müssen.“


Und so freue ich mich auf deine Antwort!



Montag, 15. März 2010

Von der Generation Google zur Generation Apps




Mein Sohn Matthias, 22, hat mir vor etwa einem Jahr erklärt, was es bedeutet, zur Generation Google zu gehören. Wir fuhren über die A 1 von Remscheid nach Bielefeld, und ich wollte ihm, dem Neuling auf deutschen Autobahnen, das System der Autobahnen in diesem Abschnitt erklären. Drei Kreuze muß man sich in unserer Gegend merken, fing ich meine Lehrstunde an: das Westhofener Kreuz zur Sauerlandlinie (A 45), das Kreuz Unna zur Autobahn nach Kassel (A 44) und das Kamener Kreuz zur Autobahn nach Hannover (A 2). Matthias aber wollte davon nichts hören, das alles ließe sich bei Bedarf googeln, sagte er mir lapidar.

Zunächst habe ich lebhaft widersprochen, als er mir mehr zu seiner Mitgliedschaft in der Generation Google erklärte, aber später habe ich kluge Zeitungsartikel zu diesem Thema gelesen, die meines Sohnes Anfangsthese bestätigten: man lernt heute nicht mehr, um Wissen zu speichern, man sucht sich dieses Wissen ad hoc zusammen, wenn man es zur Arbeit an einer konkreten Aufgabe benötigt.

Natürlich ist die überspitzte Vorstellung von einer lernunwilligen Jugend, die sich ihr Wissen von Tag zu Tag googelt, um es dann gleich wieder zu vergessen, zunächst einmal nur eine plakativ formulierte Theorie. In der Praxis sehe ich Matthias nach wie vor hinter dicken Lehrbüchern arbeiten und freue mich dran. Aber es gibt doch offenbar zunehmend Überlegungen zu der Frage, welche Chancen und Risiken eine Generation hat, die sich jederzeit aus der unerschöpflichen Quelle des Internetwissens bedienen kann und sich zunehmend auch auf diese verläßt.

Eine der Chancen besteht in dem relativ leichten Gepäck, das man mit sich führt, wenn man sein Wissen nicht mehr aus Büchern und Seminaren beziehen muß. Eins der Risiken besteht andererseits darin, daß man am Ufer des großen Stroms der Informationen leicht den Eimer falsch einsetzt, der das herausfischen soll, was man gerade benötigt. Ich las bereits Erörterungen darüber, wieviel Mühe alleine schon das Problem bereiten kann, angesichts eines permanent auf mehreren Informationskanälen sendenden Computers die Konzentration zu finden, um auch nur eine einzige Internet-Recherche erfolgreich zu Ende zu führen.

Hier sind neue Kulturtechniken gefragt. Sie werden teilweise bereits im frühen Kindesalter trainiert, wenn etwa vor dem Fernseher die Konzentrationsspanne zwar systematisch verkürzt, das Filtervermögen dagegen aber gestärkt wird. Es gilt auch hier, um einmal altes Wissen zu zitieren, das (googlebare) Hölderlin-Wort Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.

Denkt man an dieser Stelle weiter, so kann man sich vielleicht etwas konkreter vorstellen, wie die neue Generation in Zukunft ihre Lebensarbeit verrichten wird. Man darf vermuten, daß sie sich recht bald nicht mehr über die Methode definieren wird, mit der sie sich ihr Wissen beschafft, sondern eher darüber, wie sie ihre Probleme löst.

Sie könnte dann - so meine These - aufhören, Generation Google zu sein, und statt dessen, weil sie ihre Probleme nach der Philosophie lösen wird, die das iPhone ihr als das neue Problemlösungsgerät schlechthin vorgibt, zur Generation Apps werden. Das Sein, sagt Marx, bestimmt das Bewußtsein, um hier ein letztes Mal verstaubtes Bildungswissen anzubringen.

Apps sind die kleinen Programme, die auf dem iPhone wie ein aufgedecktes Kartenspiel erscheinen, wenn man das Gerät startet. Etwa 20 davon sind beim Kauf bereits vorhanden, bei mir sind in den ersten Wochen 23 weitere hinzugekommen, die ich mir im „App Store“ in Sekundenschnelle heruntergeladen habe, meist für € 0,79 (das entspricht den $ 0,99, die sie in den USA kosten), oft aber auch gratis und nur ein einziges Mal für teure € 3,75 (das kostete der wunderbare „Everyday Looper“, mit dem man Musikschleifen erzeugen und ganz allein ein ganzes Orchester einspielen kann).

Jede application löst ein bestimmtes Problem – ein Taxi in der Nähe zu rufen, einen Preis zu vergleichen, ein Musikstück zu identifizieren, die eigenen Schlafphasen zu analysieren. Das besondere an jeder application ist, daß sie für einen vergleichsweise geringen Preis das konzentrierte und auf dem aktuellen Stand gehaltene Wissen eines großen, allerdings konkret eingegrenzten Gebietes liefert. Und weil eine mittlerweile nach Millionen zählende iPhone-Gemeinde die Apps täglich auch millionenfach herunterlädt, lohnt sich der Aufwand, aufwendige Programme zu schreiben, Informationen vorzuhalten und das alles zusammen dann für nur wenige Pfennige pro Nutzer weiterzugeben.

Die Zahl der downloadbaren Apps ist laut Wikipedia innerhalb von nur 18 Monaten von 500 (Juli 2008) auf 140.000 (Januar 2010)gestiegen und täglich werden der Apple-Zentrale tausende neuer Apps von Programmierern in der ganzen Welt angeboten. Im April 2009 gewann der 13jährige Connor Mulcahey aus Eston in Connecticut einen Einkaufsgutschein über $ 10.000,-, nachdem er beim Billion-Apps-Countdown mit dem milliardsten Download identifiziert wurde. Mittlerweile sind schon wieder mehrere Milliarden Downloads hinzugekommen, 23 davon von mir.

Ich glaube nun also, daß diese kleinen fröhlichen Apps-Minikärtchen, die da auf dem Display erscheinen (und sogar tanzen können, wenn man in den Modus geht sie zu sortieren) unser Bild von der Art und Weise bestimmen werden, wie wir in Zukunft Problemlösungen angeboten bekommen werden. Was wir erwarten können, sind:
- von einem Fach unabhängige Lösungen (die Minikärtchen wollen ja nicht nach Geometrie, Wirtschaft, Organisation etc. sortiert werden, sie wollen einfach nur nebeneinander stehen),
- problemorientierte Lösungen (man sucht die Apps im App Store, indem man Stichworte wie Preis, Schlaf, Reise etc. eingibt),
- kleine Systeme (statt WORD mit seinen über 1.000 Befehlen könnte es ein einfaches Textprogramm geben und dann je ein App für spezielle Probleme dazu, etwa wenn man griechische Buchstaben einfügen will) ,
- preiswerte Programme (Dragon, das führende Spracherkennunsprogramm gibt derzeit, um in den Markt zu kommen, im App Store USA ein Basisprogramm gratis ab, das in Deutschland rund € 150,- kostet) .

Das alles wird die tägliche Arbeitsweise verändern. Man wird die Lösung für Konflikte im Wirtschaftsverkehr suchen, nicht den Juristen. Man wird die Sammlung über die Erfahrungen mit einer seltenen Krankheit suchen, nicht den Facharzt, der sie behandelt. Man wird die Vorschläge zur Beseitigung bestimmter Baumängel suchen, nicht den Sachverständigen. Und wenn man bei der Suche dann doch noch einmal auf einen der alten wise guys trifft, wird man ihm keine € 300,- pro Stunde mehr bezahlen wollen. Er soll bitte sein Wissen einfach nur breit zur Verfügung stellen und kann dann ja pro Klick auf seine Daten € 0,79 erhalten, das bringt ihm am Ende vielleicht sogar mehr ein als die Arbeit auf Stundenbasis.

Eine Befürchtung, die ich mit dieser schönen Welt verbinde, spreche ich aber auch gleich aus. Ein negatives Kennzeichen der Generation Google besteht schon heute darin, daß sie ihr Wissen nur noch mürrisch weitergab. „Google’s doch selbst“ war die Standardantwort, wenn man wissen wollte, wie die Hauptstadt von Ecuador heißt. Als Generation Apps wird sie nun auch die Bereitschaft, eine konkrete Hilfe zu leisten, auf das allernotwendigste beschränken. In der Küche helfen? Dafür gibt es doch sicher ein App


Sonntag, 7. März 2010

Anrührend




Unsere dritte Tochter Carolin hatte am 27. Februar Geburtag und wurde 30 Jahre alt. Sie hat über die letzen zehn Jahren ihres Lebens einen schönen Eintrag in ihren Blog "caro-ber-lin" geschrieben, den ich hier gerne dem freundlichen Interesse meiner Leser anbefehle.

Ich jedenfalls bin gerührt und möchte mit Sesemi Weichbrodt in den Buddenbrooks sagen: Sei glöcklich, du gutes Kend!



Samstag, 6. März 2010

Erste Eindrücke vom iPhone




Mein Interesse an einem iPhone ist in dem Moment über die reine Neugiersgrenze hinaus gewachsen, als ich erfuhr, daß die kleinen iPhone-Zusatzprogramme, Apps (Applikationen) genannt, mittlerweile weltweit über 3.000.000.000 mal downgeloaded wurden, drei Milliarden mal, und daß sich offenbar die Welt der Programmierer weitestgehend auf das Erstellen dieser Applikationen gestürzt hat. Sie werden auf dem iPhone als kleine Symbole angezeigt, es passen 20 auf eine Seite, die nächsten 20 laufen von rechts oder links ins Bild, wenn man mit dem Finger über den Bildschrim wischt.

Das iPhone gibt es seit dem 9.1.2007 im Handel, die Apps sind von 500 (Mitte 2008) über 15.000 (Januar 2009) auf mittlerweile über 150.000 angestiegen. In der Apple-Zentrale, in der diese Applikationen angeboten werden (Apple behält 30% der Gebühren ein), gehen täglich tausende neuer Apps ein, ein Ende dieses Ideen-Booms ist nicht abzusehen.

Viele Hersteller bieten teure Software preiswert oder sogar unentgeltlich an, wenn man sie für das iPhone haben will. So gibt es das weltweit führende Spracherkennungsprogramm Dragon in den USA derzeit als kostenloses App. In Deutschland muß man für die PC-Normalversion rund € 200,- zahlen (sie ist dieses Geld wert, wie ich bestätigen kann).

Nach etwa zwei Wochen Praxis mit meinem eigenen iPhone kann ich nun berichten: das Ding ist ein kleiner und schneller Computer, der sehen, hören und fühlen kann und dabei aus dem Himmel heraus auf seinen Besitzer acht hat und immer weiß, wo der gerade ist. Die Faszination dieses Gerätes ergibt sich aus der Kombination dieser vier Dinge. Ich sage einmal Beispiele.

Sehen: das Gerät erkennt beim Einkaufen anhand des Barcodes auf einem Artikel, um welche Ware es sich handelt, und ob es den Artikel vielleicht zwei Straßen weiter 20 Euro günstiger gibt.

Hören: ans Radio gehalten identifiziert das Gerät die gespielte Musik und bietet an, diese sogleich aus dem Internet auf das Gerät zu laden (es ist ja nebenbei auch ein MP3-Player).

Fühlen: ans Kopfende des Bettes gelegt registriert das Gerät die Schlafbewegungen des Besitzers und bemüht sich, nach deren Analyse den Besitzer in einer Phase zu wecken, in welcher er nicht besonders tief schläft.

Aus dem Himmel: über die von einem Navigationsgerät bekannten GPS-Satelliten führt einen das Gerät nicht nur als Autofahrer von Berlin nach München, sondern leitet einen auch als Fluggast durch den Frankfurter Flughafen, vom Flugsteig zur Gepäckausgabe und von dort zum Auto, dessen Position es sich vorher gemerkt hat.

Das alles wird mit einer raffinierten Technik auf einem 5,2 x 7,5 cm großen Bildschirm gezeigt, der vollständig über die Berührung mit den Fingern gesteuert wird. Auch die großen Zeitungen haben mittlerweile spezielle Apps für das iPhone hergestellt, mit denen man einen Artikel in eine einzige Spalte bringt und diese dann auf dem Bildschirm mit seinen quergestellten 7,5 cm bequem lesen kann. Mit den Fingern "schiebt" man den Text weiter, und wenn er zu klein oder zu groß ist, ändert man mit einer einfachen Spreizbewegung von Zeigefinger und Mittelfinger die Größe des Ausschnitts. Auch Bücher kann man so lesen und sich schnell ein eBook downloaden, wenn man kein Buch mit auf Reisen genommen hat. Vergessene Akten können vom Kollegen im Büro auf gleichem Weg nachgeschickt werden.

Auch schreiben kann man mit dem Gerät, die Tastatur, die als Bild auf dem Bildschirm erscheint, hat zwar nur etwa ein Drittel der Größe eines PC, ist aber deutlich größer als etwa auf einem Blackberry. Das iPhone spielt Musik ab, synchronsiert die Adressen, Termine und eMails, die man im Büro auf dem Outlook-Server hat, und kann vieles andere mehr (wie fotografieren - siehe mein Selbstportait).

Das Ganze ist dabei äußerlich wunderbar elegant gemacht und sehr ästhetisch. Viele Anwendungen wie etwa der kleine Timer, mit dem ich mittags meinem Sekretärinnen-Kurzschlaf steuere, sind optisch sehr ansprechend. Der Timer weckt mich außerdem mit einer Auswahl der schönsten Klingeltöne und Melodien.

Alle Programme - das ist anders als bei einem normalen PC - starten in einem Bruchteil von Sekunden, auch die Verbindung zum Internet wird blitzschnell hergestellt und das Gerät weiß dabei, ob es das Internet unterwegs über den Mobilfunk ansteuern soll oder stationär über ein W-LAN im Hotel oder zu Hause. Alle diesbezüglichen Kosten sind in der Monatsmiete von rund € 45,- enthalten.

Man sieht hier eine Welt wachsen, die den Computer jetzt in die Tasche gesteckt hat und ihn buchstäblich in alle Lebensvorgänge hinein hören und sehen und fühlen lassen will. Und von oben herab schauen die GPS-Satelliten wachsam zu und sagen jedem, wo sein Platz auf dieser Welt ist.

Ach ja, und telefonieren kann man mit dem Gerät natürlich auch. Aber das finde ich schon fast eher störend.