Samstag, 25. Juli 2009

Abschied von John Updike





Für einen treuen Leser ist ein Schriftsteller eigentlich erst dann tot, wenn das endgültig letzte von ihm erschienene Buch zu Ende gelesen ist. Bei mir wäre nun also der 25. Juli 2009 Updikes Todestag, nicht der 27. Januar 2009, das wirkliche Datum.

Es folgten noch zwei neue Bücher auf Updikes Tod. Im März erschien sein posthumer Gedichtband Endpoint, im Juni dann My Father's Tears ein Band mit 18 Kurzgeschichten, deren letzte The Full Glass ich heute nicht ganz ohne Rührung gelesen habe. Anders als bei den Gedichten, deren letzte im Bewußtsein des nahen Krebstodes geschrieben sind, findet sich in den Kurzgeschichten kein Hinweis auf die lebensbedrohliche Erkrankung. Bis zum Schluß betrachtet die Hauptfigur der jeweiligen Geschichte (immer unverkennbar Updike selbst, auch wenn er sich unterschiedliche Namen und Berufe gibt) ihr fortgeschrittenes Alter mit dem augenzwinkernden Optimismus, als könne das Leben noch viele Jahre so weitergehen.

In der letzten Geschichte wählt Updike für den Ich-Erzähler einen praktischen Beruf: er hat sein Geld damit verdient, Holzfußböden zu verlegen und beschreibt die Schönheit der fertigen Arbeit und die Befriedigung, die daraus erwächst. Normalerweise sind die Updike abbildenden Personen eher Menschen aus akademischen Berufen, aber dieser letzte Updike ist ein praktischer Mensch. Das bringt den Vorteil, daß er keine weitere Begründung dafür geben muß, warum er nicht allzu tief über sich selbst reflektiert. So sagt er es gleich zu Beginn. Er ist eben ein Handwerker, kein Intellektueller.

Natürlich ist das nur ein Trick. Nach meinem Eindruck breitet Updike hier ein letztes Mal seine Skepsis gegenüber dem Stand der professionellen Seelenforscher aus, eine Skepsis, die er mit vielen Schriftstellerkollegen teilt. Besonders sein großes Vorbild, Vladimir Nabokov, war ja davon überzeugt, daß es sich etwa bei der Psychoanalyse um eine vollkommen sinnlose Scheinwissenschaft handelt. So weit würde Updike zwar nicht gehen, aber als sein Handwerker dann doch einmal etwas aus der Tiefe seiner Seele heraus läßt, ist es ein hässlicher Gedanke (die heimliche Erleichterung über den Tod einer früheren Geliebten) und der Erzähler nimmt ihn auch sogleich mit der Bemerkung zurück kommt, da könne man sehen, was beim Tiefschürfen herauskommt. Scratch the surface, and ugliness pops up.

Konsequenterweise bleibt er bei der Schilderung alltäglicher Dinge, die scheinbar an der Oberfläche dahinfließen, von denen aus Updike aber immer wieder auf seine ganz eigene, unverwechselbare Art in die Tiefe der menschlichen Existenz eindringt. Die letzte Szene beschreibt die morgendliche Rasur und die Einnahme der verschriebenen Tabletten. Das Glas Wasser, das der Geschichte seinen Titel gibt, wird erhoben und begleitet am Ende einen vorsichtigen Trinkspruch auf das Leben. Updike beginnt ihn auf ironische Art, indem er seine Unsicherheit über die Seelenlage des Trinkenden ausdrückt: wenn ich den Mann richtig verstehe, dann -

If I can read this strange old guy's mind aright, he's drinking a toast to the visible world, his impending disappearance from it be damned.

"Wenn ich die Gedanken dieses eigenartigen alten Kerls richtig lese, dann trinkt er auf die sichtbare Welt, sein drohendes Verschwinden von dieser sei verdammt."



1 Kommentar:

Peter Oberschelp hat gesagt…

Wenn ich es mir recht überlege, habe ich noch nie um einen geliebten Dichtertrauern müssen. Zunächst liebte ich solche, die schon gründlich tot waren, Dostojewski, Tolstoi, Tschechow, Proust, auch Hamsun war schon einige Jahre tot, als ich ihn kennenlernte. Bernhard kannte ich schon gut, als er starb, aber erst später ist er mir wirklich nahe gekommen. Kempowski? Ja, der schon, aber so nahe wie anderen stand er mir doch nicht, aber natürlich, wir kannten ihn persönlich. Von Sebald wußte ich nichts, als er starb und war nur belästigt von den Nachrufen, die dazu aufforderten, sich mit ihm zu beschäftigen. Würde sich sein Leben verschieben, so daß er in diesen Tagen stürbe, wäre das ein ganz ernster Schicksalsschlag.