Freitag, 19. September 2008

Auf den Spuren von Ludwig Erhard





Scuol / Schweiz

Hier ganz in der Nähe hat sich auf einem Berggipfel des Engadin in den Zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts etwas Wichtiges für die Deutsche Entwicklung nach 1945 ereignet, psychologisch betrachtet. Der Student Ludwig Erhard, geboren 1897, wurde zur Abschlußprüfung zwecks Erwerb des Doktortitels von seinem Frankfurter Professor Franz Oppenheimer in dessen Urlaubsort Celerina eingeladen. Und da Oppenheimer den ihm lange und gut bekannten Schüler nicht mehr wirklich befragen sondern mit ihm ein paar angenehme Tage verbringen wollte, lud er den fußschwachen und im Ersten Weltkrieg schwer an der Schulter verwundeten Erhard kurzerhand zu einer Bergwanderung auf den Gipfel des Corvatsch (3.451 m) ein.

Die ungewohnte Anstrengung wurde dem bergunerfahrenen Erhard reichlich belohnt: auf dem Gipfel angekommen verlieh ihm der Professor feierlich die Doktorwürde „zum höchsten Doktor in Europa“.

Vermutlich hat dieses Erlebnis auf Erhard menschlich ungemein stärkend gewirkt. Eine erfolgreich überstandene Bergtour, wenn möglich noch mit der Erreichung eines Gipfels oder einer Paßhöhe kann ja eine motivierende Langzeitwirkung haben – wer die Problem oben in der Höhe bewältigt hat, dem erscheinen auch die täglichen Probleme in den Niederungen des Lebens nicht unüberwindlich.

Erhard hat bekanntlich nach 1945 viele mutige Entscheidungen bei der Einführung der Mark getroffen, wer weiß, vielleicht manchmal mit den Bildern vom Piz Corvatsch im Kopf.

Wir sind auf Erhards Spuren dem Piz Clünas (rechtes Foto, 2.793 m) zumindest nahe gekommen. Etwa 300 m unter dem Gipfel sind wir angesichts des nahen Abends allerdings nicht weitergegangen und haben uns auf den Heimweg gemacht.

Wenige Tage später hat Christiane dann bei einer Autotour über abenteuerliche Serpentinen unseren Skoda sicher auf das Stilfser Joch, der mit 2.757 m zweithöchsten Paßstraße Europas*, gelenkt, trotz einsetzendem Schneefall. Sie hat danach allerdings nicht von Stärkungserlebnissen erzählt, wie sie überhaupt Bergabenteuer lieber anderen überläßt.

Ich persönlich liebe die überstandenen Gefahren der Berge dagegen sehr, wobei ich sie allerdings ebenfalls möglichst zu minimieren suche. Irgendwie möchte ich hier oben ein wenig von meiner früher fast krankhaften Höhenangst verlieren, das gelingt aber nur teilweise.

Bergsteiger müßten wegen der vielen überstandenen Gefahren immer frohe und selbstbewußte Leute sein, sagt man sich. Es ist dann enttäuschend, im Fernsehen einen griesgrämigen, kleinlich auf sein Renommee bedachten Reinhold Messner zu erleben. Berge können den Menschen offenbar auch klein machen.

* Höher unter den asphaltierten Pässen ist nur noch der Col de l'Islain in Frankreich mit 2.770 m.

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